Sachverhalt
Im Faulschlamm lösen sich
unter anderem Faulgase wie Methan (CH4), das wegen seines starken Treibhauspotentials
aufgefangen werden muss. Dies geschieht im
Faulturm. Das aufgefangene Gas wird anschließend direkt vor Ort energetisch
verwertet.
Je nach
Zusammensetzung des Abwassers und dem Prozess auf der Anlage werden dann
zwischen 30 % und 70 % der in der Kläranlage benötigten elektrischen
Energie produziert, während der Wärmebedarf des Faulturm-Prozesses vollständig
abgedeckt wird.
Der 800 m³ fassende und 12 m tiefe Stahlbeton-Faulturm der Kläranlage Ubstadt-Weiher wurde zwischen 1968 und 1970 erbaut. Die letzte Leerung fand vor ca. 20 Jahren statt. Daher war zunächst mit einem erhöhten Sanierungsbedarf zu rechnen. Um vor einer weiteren aufwendigen Leerung des Faulturms den erforderlichen Sanierungsumfang zu definieren, wurde am 28.01.2020 ein Kontrolltauchgang durch eine Spezialtauchfirma durchgeführt. Folgende Ergebnisse wurden dabei festgehalten:
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Es
ist eine ca. 0,5 m dicke Schwimmschlammdecke mit starken Verzopfungen vorhanden
·
Der
Faulturm ist bis zu einem Drittel gefüllt mit Ablagerungen und Verzopfungen
·
Die
kalten ausgefaulten Ablagerungen haben sich nach unten weiter verfestigt
·
In
den Ablagerungen befindet sich nur ein schmaler Schlund zum Grundablass
·
An
den Wänden und Rohren sind Inkrustierungen vorhanden
·
Von
den Wänden haben sich mehrfach feste Ablagerungen gelöst (Abbruchkanten)
·
Am
Rohrsystem befinden sich stärkere Verzopfungen
Somit ist zur
Aufrechterhaltung der Betriebssicherheit eine umfangreiche Reinigung des
Faulturminnenbereichs erforderlich.
Überaus positiv
ist hierbei aber, dass die Untersuchung der Innenwände und des Rohrsystems im
ablagerungsfreien Bereich aus tauchtechnischer Sicht keine Schäden ergab. Daher
kann auf eine kostenintensive Leerung verzichtet werden. Die Nutzungsdauer des Faulturmes
erhöht sich durch die Reinigung voraussichtlich um weitere 20 Jahre.
Die Kosten für eine Entleerung mit Betonsanierung der
Innenwände wurden im Jahr 2018 auf ca. 340.000 € geschätzt. Die tatsächlich nun
anfallenden Kosten für eine Reinigung ohne Betonsanierung von rund
68.000 € sind erfreulicher Weise erheblich niedriger.
Aufgrund des lebensgefährlichen Milieus innerhalb des
Faulturms und der erforderlichen Spezialausrüstung kommen für eine
entsprechende Reinigung nur Spezialfachfirmen in Betracht. Gemäß § 3a VOB/A
sowie § 8 UVgO kann in diesem Zusammenhang auf eine Ausschreibung verzichtet
werden und eine freihändige Vergabe erfolgen.
Im deutschsprachigen Raum sind lediglich zwei Taucherbetriebe auf die erforderliche Faulturmreinigung eingestellt:
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Umwelttauchservice Ulrich GmbH, Wien (Österreich)
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Bieter 2 (Deutschland)
Von beiden Firmen wurden Vergleichsangebote eingeholt. Bei einem erwarteten Aufwand von 10 bis 12 Arbeitstagen betragen diese (bei 12 Tagen):
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Fa. Umwelttauchservice Ulrich GmbH: 59.090,64 € brutto (zzgl.
15 % Baunebenkosten
inkl. Ing.-Honorar =
8.863,60 €) 67.954,24
€ brutto
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Bieter
2: 63.903,00 € brutto (zzgl. 15 % Baunebenkosten
inkl. Ing.-Honorar = 9.585,00 €) 73.488,45
€ brutto
Differenz 5.534,21 € brutto
Aufgrund der aktuellen Auftragslage der Tauchbetriebe ist
eine Umsetzung der Maßnahme frühestens im August 2020 möglich.
Ingenieurleistungen:
Für die anfallenden Ingenieurleistungen wird das Ingenieurbüro Willaredt
vorgeschlagen. Die Kosten betragen gemäß Angebot nach HOAI rund 5.500 € brutto.
Vergabevorschlag:
Aufgrund der derzeit herrschenden Corona-Krisensituation ist es nicht
für alle ausländischen Firmen leicht in Deutschland Aufgaben umzusetzen. Aus
diesem Grund wurde bei der österreichischen Spezialfirma diesbzgl. angefragt.
Die Firma bescheinigte schriftlich, dass eine Tauchergruppe sich ständig in
Deutschland aufhält und Aufträge ausführt (derzeit auf der Kläranlage in
Ketsch) und auch weiterhin terminierte Aufträge in Deutschland wahrnehmen wird.
Die österreichischen Taucher erhalten spezielle Grenzübertrittspapiere, nach
Vorlage von Taucherdienstzeugnis und ärztlichen Attest (nicht älter als 4
Tage). Insofern bestehen keine Bedenken einen Auftrag an die österreichische
Firma zu vergeben. Über dies hat diese Firma das Europapatent für eine
3D-Vermessung zum Nachweis der vollständigen Reinigung des Faulturms. Diese
Leistung ist im Angebot inkludiert.
In Anbetracht dieser Informationen wird die Auftragsvergabe an die Fa. Umwelttauchservice Ulrich GmbH, Wien auch vom betreuenden Ingenieurbüro Willaredt empfohlen.
Umweltverträglichkeitsprüfung/Nachhaltigkeitsprüfung/Leitbild
Um die volle Funktion und Effizienz des Faulturms weiterhin gewährleisten zu können, ist die Innensanierung notwendig.
Beschlussvorschlag
1. Der Gemeinderat beschließt die Sanierung des Faulturmes der Kläranlage.
2. Der Gemeinderat beschließt den Auftrag für die Ingenieurleistungen mit Kosten von rund 5.500 € brutto an das Ingenieurbüro Willaredt zu vergeben.
3. Der Gemeinderat beschließt den Auftrag zur Sanierung des Innenbereiches des Faulturmes an die Fa. Umwelttauchservice Ulrich GmbH, Wien, Österreich mit voraussichtlichen Kosten in Höhe von rund 59.100 € zu vergeben. Die Baunebenkosten inkl. Ingenieurhonorar belaufen sich auf rund 8.900 €. Die Gesamtkosten betragen somit rund 68.000 € brutto.
Haushaltsvermerk
Im Abwasserhaushalt 2020 ist für die Sanierung des Faulturms kein Ansatz vorgesehen. Die Maßnahme war eigentlich erst für das Jahr 2021 eingeplant. Im mittelfristigen Finanzplan wurden hierfür für das Jahr 2021 338.000 € vorgemerkt.
Die Finanzierung der diesjährig anfallenden Kosten in Höhe von rund 68.000 € muss somit mit voraussichtlichen Einsparungen aus verschiedenen anderen Bereichen des Abwasseraushalts erfolgen:
voraussichtliche Einsparung Eigenkontrollverordnung 20.000 €
voraussichtliche Einsparung Klärschlammentsorgung 20.000 €
voraussichtliche Einsparung Fortführung Bestandsplan 3.000 €
voraussichtliche Einsparung RÜB Kläranlage 25.000
€
Summe 68.000 €
Die Finanzierung der Faulturmsanierung ist somit gewährleistet.